Flüssige Mahlzeiten – Kauen ist von gestern?

Flüssige Mahlzeiten – Kauen ist von gestern?

Egal ob als Smoothies, Saftkuren, in Pulverform oder abgefüllt in trendigen Flaschen aus dem Reformmarkt – Flüssigmahlzeiten sind derzeit in aller Munde. Mahlzeiten in flüssiger Form seien praktisch, vollwertig und zeitgemäss, so der Konsens der Hersteller. Denn mit Flüssignahrung soll man Zeit sparen und die Ernährung der Hektik des Alltags anpassen. Wozu eigentlich noch kauen, wenn man eine vollwertige Mahlzeit auch in Flüssigform zu sich nehmen kann? Zeit zum Essen hat schliesslich nicht jeder.

Diese und weitere Marketing-Kampagnen bewerben derzeit populär die verschiedenen Produkte von Nahrung in Flüssigform.

Warum hierbei Vorsicht geboten sein sollte, wie die flüssigen Mahlzeiten aus ernährungsphysiologischer Sicht zu betrachten sind und warum die flüssige-, nicht mit der festen Nahrung mithalten kann, das möchten wir in diesem Artikel klären.

Was sind Flüssigmahlzeiten?

Flüssigmahlzeiten gibt es in verschiedenen Formen: abgefüllt in Flaschen findet man vollwertige Mahlzeiten; gesundheitsversprechende Saftkuren, die zudem noch schlank machen sollen und den Körper entgiften; oder Mahlzeiten in Pulverform zum Selbst Anmischen.

Allen gemein ist dabei zumeist das Versprechen, dass die flüssige Mahlzeit/das Getränk eine vollwertige, feste Mahlzeit ersetzen würde und der Körper davon gleichermassen profitiert oder sogar noch mehr.

Einige Hersteller geben zu bedenken, dass ihre Produkte nur für einen kurzen Zeitraum eingenommen werden sollte und keine feste Nahrung ersetzen sollten, während andere Produzenten auf diesen Warnhinweis verzichten.

Doch was bewegt Menschen generell dazu, Astronauten ausgenommen, zu Flüssignahrung zu greifen?

Weshalb greift jemand zu Flüssignahrung?

Die potenziellen Vorteile einer flüssigen Mahlzeit werden vielseitig angepriesen: man spart viel Geld, da eine Flüssigmahlzeit in Pulverform wesentlich günstiger ist als ein selbstgekochtes Essen aus verschiedenen Lebensmitteln aus dem Supermarkt. Zudem fällt die Zeit für den wöchentlichen oder täglichen Einkauf weg und man hat natürlich eine verkürzte oder sogar völlig wegfallende Zubereitungszeit. 

Denn: die meisten Flüssigmahlzeiten sind bereits fertig produziert oder müssen als Pulver nur noch mit Wasser oder Milch angerührt werden.

Einer der attraktivsten Vorteile der flüssigen Mahlzeit ist jedoch das Versprechen, dass alle notwendigen und wertvollen Nährstoffe in der Instant-Mahlzeit bereits enthalten wären. Man muss sich also keine lästigen Gedanken mehr darüber machen, ob man vielseitig und ausgewogen gekocht und gegessen hat.

Ein weiterer angepriesener Vorteil der Flüssigmahlzeit ist, dass man angeblich weniger müde nach dem Essen bzw. Trinken der flüssigen Mahlzeit ist.

Wir alle kennen es: man hat ausgiebig gegessen und könnte sich danach direkt hinlegen, um ein kleines Verdauungsschläfchen zu machen. Da die flüssige Mahlzeit nicht gekaut werden muss und auf direktem Weg in den Verdauungstrakt geschleust wird, muss weniger Energie vom Körper verwendet werden, was angeblich zu weniger Müdigkeit nach dem Konsum führt. Diese Behauptung kann jedoch nicht von allen Konsumenten bestätigt werden.

Die angepriesenen Vorteile von Flüssignahrung im Überblick:

  • Zeitersparnis durch wegfallende Zubereitungszeit & Einkauf
  • Kostengünstiger als feste, frisch zubereitete Mahlzeiten
  • Angeblich weniger Müdigkeit nach Konsum
  • Alle Nährstoffe bereits enthalten

Doch wie sieht es in Wirklichkeit aus? Sind Flüssigmahlzeiten so vielversprechend, wie es scheint?

Ernährungsphysiologische Betrachtungsweise von flüssiger Nahrung

Sich rein flüssig zu ernähren ist der Medizin nicht unbekannt. Unter bestimmten Umständen empfehlen Ärzte sogar eine flüssige Mahlzeit oder zeitweise Ernährung in flüssiger Form. Diese Umstände können z.B. eine vorhergehende Operation am Magen oder Magen-Darm-Trakt, Durchfall, Diabetes oder die Morbus-Crohn Krankheit sein. Das Ziel der flüssigen Ernährung ist, den Patienten hydriert zu halten und ihn trotzdem mit wichtigen Nährstoffen zu versorgen.

Sich flüssig zu ernähren, sorgt hauptsächlich dafür, dass der Magen und der Magen-Darm-Trakt sich erholen können, weil sie nur noch wenig für die Verdauung arbeiten müssen. Für wenige Tage oder eine kurze Zeit lang, ist diese Form der Ernährung demnach kein Problem.

Problematisch wird es jedoch, wenn eine Person über längere Zeit oder regelmässig zu Flüssigmahlzeiten greift. Aber warum?

Problematik der flüssigen Ernährung

Wer sich keine Zeit zum Kauen nimmt und feste Nahrung mit Flüssignahrung ersetzt, der schädigt auf lange Sicht seine Verdauung und potenziell die allgemeine Gesundheit. Unsere Verdauung hängt nämlich sehr eng mit unserem Immunsystem zusammen und ist ein wesentlicher Bestandteil von diesem, was wiederum die Wichtigkeit eines vernünftigen Umganges mit unserem Magen-Darm-Trakt hervorheben sollte.

Das Verdauen von Nahrungsmitteln und die Auseinandersetzung unserer Darmbakterien, der Darmschleimhaut und den weiteren Teilen unseres Magen-Darm-Traktes mit bedrohlichen, aber auch wertvollen Stoffen, hält unseren Darm und unser Immunsystem gesund und aktiv. Die ständige Immunreaktion unseres Darms und dessen Auseinandersetzung mit potenziellen Bedrohungen, stärkt auf Dauer das Immunsystem und sorgt dafür, dass unser Darm Bedrohungen rechtzeitig erkennen kann, damit wir nicht krank werden. Unser sekundäres Immunsystem wird durch einen aktiven Darm gestärkt.

Wird der Darm aber regelmässig “in den Urlaub geschickt”, weil wir feste Mahlzeiten mit Flüssignahrung ersetzen, dann nehmen wir dem Darm seine Funktion weg, was zu Erkrankungen und Verkümmerungen sorgen kann.

Ebenso enthalten viele Pulver und Flüssignahrungen enorm viel Zucker, was langfristig die Zahngesundheit schädigen kann.

Fragwürdige Nährstoffaufnahme

Eines der grössten Bedenken in Hinsicht auf Flüssignahrung, ist die fragwürdige Aufnahme unseres Körpers der künstlich hinzugefügten und hoch verarbeiteten Nährstoffe. Von Ernährungswissenschaftlern und Biochemikerinnen wissen wir bereits, dass nicht alle künstlich hinzugefügten oder hochprozessierten Nähr- und Zusatzstoffe auch vom Körper aufgenommen werden können, wie beispielsweise Vitamin B-1.

Zudem fehlen den flüssigen Mahlzeiten auch sekundäre Pflanzenstoffe, die vielseitige und wichtige Auswirkungen auf unsere allgemeine Gesundheit haben, wie z.B. den Blutdruck. Sekundäre Pflanzenstoffe, wie z.B. Phenolsäuren, sind zudem wichtig für unser Immunsystem und die allgemeine Darmgesundheit.

Eine potenzielle Folge der regelmässig, flüssigen Ernährung kann z.B. das “Leaky-Gut-Syndrom” sein, zu deutsch ein “durchlässiger Darm”.

Das hört sich unangenehm an? Ja, das ist es auch. Und was sind die Folgen eines Leaky-Gut-Syndroms?

Das Leaky-Gut-Syndrom

Wenn die Schutzfunktion der Darmschleimhaut empfindlich gestört ist, spricht man von einem Leaky-Gut-Syndrom, also einem durchlässigen Darm.

Unsere Darmmembran und das dort liegende Immunsystem, dass GALT, schützen uns vor Krankheitserregern, schädlichen Bakterien und Viren, indem diese Erreger von den verschiedenen Akteuren erkannt werden und aktiv bekämpft oder ausgeschleust werden. Der Darm spielt eine der wichtigsten Rollen für unsere allgemeine Gesundheit und die Immunabwehr.

Ist diese Schutzbarriere gestört, indem sie beispielsweise entzündet ist oder nicht mehr richtig arbeiten kann, dann können Schadstoffe ungehindert in unseren Blutkreislauf gelangen und uns folglich krank machen.

Unser Immunsystem erkennt dann nämlich erst verspätet die bedrohlichen Eindringlinge und reagiert daraufhin mit entzündlichen und allergischen Prozessen, die zu Unwohlsein und vielseitigen Begleitsymptomen bei uns führen können. Es ist deshalb wichtig, dass wir unseren Darm gesund halten, damit das GALT potenzielle Bedrohungen rechtzeitig erkennen kann, um diese rechtzeitig zu bekämpfen.

Bei Flüssigmahlzeiten entziehen wir dem Körper wichtige Verdauungsprozesse, die dieser normalerweise ausführt und die den Darm gesund halten und pflegen. Die Verdauung beginnt nämlich bereits mit dem Zerkauen und der Einspeichelung im Mund.

Trinken wir Flüssignahrung, dann entfällt dieser erste und zweite Schritt gänzlich. In unserem Speichel befindet sich nämlich das stärkespaltende Enzym Alpha-Amylase. Amylase spaltet die Stärke, also Polysaccharide, zu Bruchstücken der Stärke, Dextrinen, was die weitere Verdauung und Aufnahme von Nährstoffen im Darm erleichtert und begünstigt. Je länger wir kauen, desto kleiner werden die Stärkemoleküle gespalten und desto besser können die Nährstoffe im weiteren Verdauungsprozess vom Körper verstoffwechselt werden.

Und wie können wir unseren Darm gesund halten? 

Das Fazit: Kauen – Oldie, but Goldie

Einem Leaky-Gut-Syndrom und weiteren Darm-assoziierten Krankheiten kann man vorbeugen, indem man seinen Darm aktiv und gesund hält, ähnlich wie auch den Rest unseres Körpers. Mahlzeiten, die frisch zubereitet wurden und gekaut werden müssen, sind dazu bestens geeignet und von der Natur hierfür vorgesehen.

Denn: Nutzen wir ein Körperteil oder ein Organ nicht so, wie es die Evolution und Biologie geschaffen und vorgesehen hat, dann wird das Organ auf lange Sicht verkümmern, folglich geschädigt und anfällig für Krankheitserreger und Erkrankungen, die chronisch werden können.

Feste und natürliche Lebensmittel enthalten zahlreiche Nährstoffe, Vitamine und Spurenelemente, die von unserem Körper erwiesenermassen aufgenommen werden können. Dies ist bei hoch-prozessierten und künstlichen Nährstoffen nicht immer der Fall oder noch nicht gänzlich geklärt. Zudem enthalten feste Lebensmittel, wie Gemüse und Obst, sekundäre Pflanzenstoffe, die weitreichende und positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. Spurenelemente müssen zudem rechtlich nicht gekennzeichnet und ausgewiesen werden, was den Gehalt dieser in Flüssignahrung fragwürdig macht.

Schlussfolgernd können wir feststellen: Eine Mahlzeit gehört verdaut. Wir können den kompletten, enzymatischen Prozess unserer Verdauung nicht mit Flüssignahrung umgehen, ignorieren oder auslassen. Kohlenhydrate sollten gekaut und eingespeichelt werden, bevor der Darm die weitere Verdauung angeht. Natürliche Nährstoffe und Spurenelement sind künstlichen Stoffen aus ernährungsphysiologischer Sicht zudem vorzuziehen.

Wenn man zucker- und kohlenhydrathaltige Lebensmittel, egal in welcher Form zu sich nimmt, sollte man diese mindestens 3 Sekunden im Mund einspeicheln und erst dann herunterschlucken. Das ist auch bei zucker- und kohlenhydrathaltigen Sportgetränken wichtig.

Schlussendlich möchten wir auch anmerken, dass der soziale Faktor eines gemeinsam eingenommenen Mahls nicht ausser Acht gelassen werden sollte. In Gesellschaft eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, hat weitreichende, positive Auswirkungen auf unsere mentale Gesundheit.

Nehmen Sie Ihre Mahlzeiten also optimalerweise in Gesellschaft zu sich, in fester Form und im Sitzen!

Guten Appetit!

 

Mahlzeiten optimalerweise in Gesellschaft

Referenzen: 

https://legionathletics.com/potentially-disastrous-effects-liquid-diet/

https://www.verywellhealth.com/what-you-can-eat-on-a-full-liquid-diet-2507157

https://my.clevelandclinic.org/health/diseases/22724-leaky-gut-syndrome#:~:text=Leaky%20gut%20syndrome%20is%20a%20theory%20that%20intestinal%20permeability%20is,letting%20toxins%20into%20your%20bloodstream.

https://www.infomedizin.de/krankheiten/leaky-gut-syndrom/#:~:text=%22Leaky%20Gut%22%20ist%20ein%20Begriff,gelangen%20ungehindert%20in%20den%20Blutkreislauf.

https://saturo.com/pages/fluessignahrung

https://www.mdr.de/wissen/podcast/challenge/eine-woche-nur-fluessignahrung-100.html

https://www.healthline.com/health/food-nutrition/clear-liquid-diet#how-it-works


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